Konzeption "Begleiteter Umgang" (BU)

  • bei Bedarf und nach Absprache mit dem Jugendamt (ASD/RSD) bzw. bei Anordnung/Vereinbarung durch das Familiengericht z.B. in Trennungsfamilien und Pflegefamilienverhältnissen.

 

Rechtliche Grundlagen

 

§ 18, Abs.3 SGB VIII – Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts

  • gesetzliche Grundlage für das zeitlich befristete Angebot zum BU durch das Jugendamt (ASD/RSD),
  • wenn Umgangssuchende einen BU wünschen, können sie das Jugendamt (ASD/RSD) in Anspruch nehmen und einen entsprechenden Antrag stellen,
  • Das Jugendamt (ASD/RSD) überprüft die Notwendigkeit des BU dann als eigenständige Jugendhilfemaßnahme (gem. § 18.3 SGB VIII).
  •  

Kommt es jedoch zu keiner Einigung, dann kann jeder Umgangsberechtigte beim Familiengericht (FamG) einen „Antrag auf Regelung des Umgangs“ stellen.

 

  • Dann entscheidet das FamG entsprechend der jeweiligen Lage des Einzelfalls unter Beachtung der berechtigten Wünsche der Umgangssuchenden und des Kindes,
  • wenn der BU auf familiengerichtliche Anordnung/Vereinbarung hin zustande kommt, werden dabei nur selten die Zeiten und der Umfang vom FamG festgelegt,
  • wenn dennoch Zeiten und Umfang vom FamG festgelegt werden, ist das FamG auf die Mitwirkung des Jugendamtes (§ 50 SGB VIII) und einer umgangsbegleiteten Stelle angewiesen,
  • Das FamG ist jedoch nicht Weisungsbefugt.

 

§ 1684, Abs. 1 BGB – Umgang des Kindes mit den Eltern

  • Kinder haben einen Rechtsanspruch auf Umgang mit beiden Elternteilen,
  • Jeder Elternteil ist zum Umgang verpflichtet und berechtigt  (§ 1684 BGB),
  • Ein Recht auf Umgang mit dem Kind haben aber auch die GE, Geschwister, Stiefeltern, frühere Stiefeltern, frühere Pflegeeltern  (§ 1685 BGB),

 

sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht.

 

  • Das Gesetz trifft jedoch keine Regelung darüber, wie der Umgang im Einzelfall ausgestaltet sein soll,
  • In der Regel vereinbaren die Beteiligten untereinander wann, wie oft und wie lange der Umgang stattfinden soll,
  • dabei können die Beteiligten auch die Unterstützung des JA (ASD/RSD) in Anspruch nehmen.

 

Umgangsbegleitung (UB)

  • Beim BU wird eine Fachkraft eingesetzt, um die Kontakte des Kindes zum Umgangsberechtigten zu begleiten,
  • Die UB vertritt die eigenständigen Interessen des Kindes und berücksichtigt diese bei den Umgangsmodalitäten,
  • als Richtlinie gilt dabei: „so viel wie nötig, so wenig wie möglich präsent sein“,
  • Die UB ist parteiisch für das Kind, wohingegen den Eltern gegenüber eine systemische Neutralität gewahrt wird,
  • Die UB ist Ressourcen- und Ergebnisorientiert,
  • Die UB hebt immer wieder die Perspektive des Kindes hervor,
  • Die Eltern werden in Beratungsgesprächen dahingehend unterstützt, dass sie ihren Kindern einen freien und offenen Kontakt zu Beiden ermöglichen können(Bindungstoleranz bzw. Bindungsförderung),
  • Im Selbstverständnis steht die Partizipation des Kindes im Prozess des BU,

In Fällen wo Kinder Erfahrungen mit häuslicher Gewalt haben, muss im Einzelfall genau geprüft werden, ob eine BU im Sinne des Kindes und im Hinblick auf das Kindeswohl zu verantworten ist.

 

Ziele des BU

  • Zunächst Anbahnung, Wiederherstellung oder Weiterführung der Kontakte zwischen Kind und Umgangssuchenden,
  • Weitere Ziele des BU werden immer fallabhängig und in Kooperation mit allen Beteiligten zum Wohle des Kindes entwickelt,
  • Die Elternkompetenz soll dahingehend gefördert und gestärkt werden, dass sie zukünftig selbstständig und eigenverantwortlich in der Lage sind, den Umgang mit ihrem Kind zu gestalten,
  • Folgende Ziele werden angestrebt:
    • Sensibilisierung aller Beteiligten für die Belange des Kindes,
    • Unterstützung aller Beteiligten, dass zukünftig der Umgang auch ohne Begleitung durchgeführt werden kann,
    • Förderung der Identitätsbildung des Kindes,
    • Organisation und Gestaltung der Kontakte werden mit den Bedürfnissen aller Beteiligten abgestimmt,
    • Kontaktaufnahme zwischen den Eltern fördern, um gemeinsam Absprachen zum Wohle des Kindes zu treffen,
    • Entwicklung und Konsolidierung der emotionalen und sozialen Beziehungen zwischen den Umgangsberechtigten,
    • Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes, damit es sein Befinden und seine Bedürfnisse allen Beteiligten gegenüber äußern kann,

 

Begleiteter Umgang (BU) als Prozess

 

Arbeitsschritte

  • Nach der möglichst präzisen und transparenten schriftlichen Auftragserteilung durch das JA (ASD/RSD) auf der Grundlage eines familiengerichtlichen Beschlusses oder Vereinbarung – Kontaktaufnahme und Gespräche mit den Eltern bzw. den Umgangssuchenden,
  • bei getrenntlebenden Eltern, ein getrenntes Vorgespräch mit beiden Eltern anhand eines entwickelten Elterngesprächsleitfaden (Interview), um die Erwartungen und Wünsche der Eltern zu erheben,
  • wenn möglich, gemeinsames Gespräch mit beiden Eltern (jedoch nicht bei ehemals gewalttätigen Übergriffen zwischen den Eltern),
  • die Umgangsmodalitäten werden mit den Eltern/Umgangssuchenden und der Fachkraft (UB) besprochen, schriftlich fixiert und dementsprechend wird der Umgang durchgeführt,
  • die vorläufig erarbeiteten Umgangsmodalitäten werden durch eine schriftliche Regelvereinbarung mit beiden Elternteilen bzw. mit den Beteiligten des Umgangs untermauert und in einem kontinuierlichen Prozess der jeweiligen Situation sinnvoll angepasst.

Kontaktaufnahme mit dem Kind

  • Das Kind wird alters- und entwicklungsgemäß auf die Umgangskontakte vorbereitet,
  • Gespräch mit dem Kind um auch die Erwartungen und Wünsche des Kindes zu berücksichtigen

Reflexion/Dokumentation

  • gemeinsame oder getrennte Beratungsgespräche über den Verlauf des Umgangs,
  • anzustreben sind jedoch gemeinsame Gespräche,
  • der Verlauf des jeweiligen BU wird durch die Anfertigung eines Verlaufsprotokolls dokumentiert,
  • gemeinsame Abschlussgespräche mit beiden Eltern/Umgangssuchenden, im Einzelfall auch getrennte Abschlussgespräche,
  • die erarbeiteten Vereinbarungen der Eltern/Umgangssuchenden werden im Abschlussgespräch schriftlich fixiert und unterschrieben,
  • über den Prozess des BU wird spätestens nach sechs Monaten ein Zwischenbericht angefertigt,
  • jegliche Änderung der Umgangsmodalitäten werden schriftlich mit dem JA (ASD/RSD) abgestimmt,
  • bei Konflikten nach dem bewilligten Zeitraum des BU kann mit dem JA (ASD/RSD) über weitere angemessene Maßnahmen beraten werden und/oder es erfolgt eine erneute Anhörung beim FamG,
  • die BU endet mit einem Abschlussbericht und/oder durch eine erneute Anhörung vor dem FamG.

Arbeitsprinzipien

  • Parteilichkeit für das Kind,
  • Hilfe zur Selbsthilfe,
  • Ressourcenorientierung,
  • Neutralität im Familienstreit,
  • Deeskalierend,
  • Lösungs- und Zukunftsorientierung,
  • Genaue Vereinbarungen und Regeln mit allen Beteiligten,
  • Klare Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Regeln,
  • Berichte an das JA (ASD/RSD) und FamG nur auf Anforderung in allgemein gehaltener Form und Transparenz für die beteiligten Erwachsenen.

 

Bestehen beim Sorgeberechtigten oder Umgangssuchenden Unklarheiten über psychische Belastungen des Kindes, setzt sich die Fachkraft der TS Sozialpädagogische Dienste mit dem fallzuständigen Sozialarbeiter des JA (ASD/RSD) in Verbindung, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

 

 

Formen der UB

Die TS Sozialpädagogische Dienste bietet verschiedene, zeitlich begrenzte Interventionsformen der Umgangsbegleitung bei folgenden Fallkonstellationen an:
 

  • Betreute Umgangsanbahnung

Ist eine kurzfristige Unterstützungsintervention für Familien, bei denen es zu längeren Kontaktunterbrechungen zwischen dem Kind und Umgangssuchenden kam.

 

  • Kontrollierter, beschützender Umgang („Begleiteter Umgang“ BU)

Bei dem kontrollierten, beschützenden Umgang ist die Anwesenheit einer Fachkraft wegen vorhandener oder möglicher Kindeswohlgefährdung (z.B. Kindesmisshandlung, sexueller Missbrauch) zwingend. Hier gilt es, die Beeinflussung des Kindes durch den Umgangssuchenden (z.B. Widerruf einer den Umgangssuchenden belastenden Aussage) zu erkennen und auszuschließen. Bei einem kontrollierten, beschützenden Umgang werden bei Bedarf zwei Fachkräfte für Co-Beratungen eingesetzt.

 

Die UB bzw. der BU ist eine zeit- und zielgerichtete sowie befristete, somit nicht auf Dauer angelegte Maßnahme und orientiert sich an der entsprechenden Auftragserteilung durch das JA (ASD/RSD).
Der BU ist immer im Zusammenhang mit der jeweiligen Situation und Fallkonstellation (Fallabhängigkeit) und im Rahmen weiterer beratender und unterstützender Maßnahmen (intensive Vor- und Nachbereitung der Umgangskontakte) zusehen und sollte dementsprechend darauf abgestimmt werden.

 

Mögliche Ausschlussfaktoren des BU

Ausschlussfaktoren, die aus Sicht der Mitarbeiter*innen der TS Sozialpädagogische Dienste – evtl. auch nur vorübergehend – einen Ausschluss der Umgänge erforderlich machen, sind:

  • wenn sich das Umgangskind anhaltend weigert, den Umgangssuchenden zu sehen wird, nach vorangegangener fachlich fundierter Reflexion im Hinblick auf die möglichen Gründe für die Verweigerungshaltung, stellvertretend für das Kind das „NEIN“ ausgesprochen,
  • wiederholter offensichtlicher Alkohol- und/oder Drogenkonsum des Umgangssuchenden kurz vor oder während des Umgangs,
  • gewalttätige Übergriffe auf das Umgangskind oder gegenüber der UB während des Umganges.

 

Rahmenbedingungen
 

Ort

Der BU findet in der Regel in den Räumen des jeweiligen Regionalbüros des Maßnahme durchführenden Trägers TS Sozialpädagogische Dienste, Am Hallenbad 5 in 35260 Stadtallendorf, statt .

In Absprache mit dem JA (ASD/RSD), der Fachkraft (UB), den Umgangssuchenden und mit den Umgangsgewährenden kann auch ein anderer Ort vorgeschlagen werden.

 

Die Ausstattung für den BU besteht aus:

  • einer zentralen und verkehrsgünstigen Lage (Bus- und Zugbahnhof in unmittelbarer Nähe),
  • Telefon, Mobiltelefon, Anrufbeantworter, Liste mit Notrufnummern,
  • heller, freundlicher und auch vor Blicken und Lärm geschützter Raum,
  • zweiter Raum, um ggf. Kontakte räumlich zu trennen,
  • Behindertengerechte Ausstattung (z.B. Aufzug im Treppenhaus),
  • Zugang zu Toiletten (Gelegenheit zum Windeln wechseln, Reinigungstücher etc.) und zur Küche (Wasser, Spülgelegenheit, Mülleimer etc.),
  • Erste-Hilfe-Ausstattung,
  • Zugang zum Spielplatz in unmittelbarer Nähe,
  • Beratungssitzecke,
  • Kinder- und Erwachsenensitzecke (Sofa, Kissen etc.),
  • Lese- und Kuschelecke,
  • Tisch zum Basteln und Arbeiten,
  • Malecke, Tafel für Schulspiele (Mal- und Bastelutensilien)
  • Kinderbücher und Bilderbücher für verschiedene Altersstufen, die zeitlich im Rahmen der Umgangskontakte auch gelesen werden können (Märchen, Themen: Familie, alleinerziehende Eltern, Stieffamilien, Trennung und Scheidung),
  • CD-Player, CD´s (Kinderlieder, Kinder-Hörbücher etc.)
  • Spiele (Brettspiele für verschiedene Altersstufen, die zeitlich in den Rahmen passen), Puzzle, Turmbau zu Babel etc.)
  • Küchenzeile für potenzielle Versorgung (Nahrungszubereitung, etc.).

 

Dauer
Die Dauer der BU richtet sich nach der entsprechenden Auftrags- und Bedarfslage, - und kann ggfs., in Rücksprache mit allen Beteiligten (JA/ASD, KE, UB), verlängert werden.

 

Orientierungsrahmen
Umgangskontakte incl. beratende und unterstützende Vor- und Nachbereitung.

Eine Co-Beratung kann bei Bedarf in Absprache mit dem JA (ASD/RSD) installiert werden. Bei Fallkonstellationen, bei der ein Elternteil psychisch erkrankt ist, oder bei vorliegender oder vermuteter „häuslicher Gewalt“ bedarf es ein höherer Zeit- bzw. Personalaufwand. Die entsprechenden Modalitäten müssen mit dem JA (ASD/RSD) verhandelt werden.

Der Stundenumfang beinhaltet regelmäßig einen Anteil von 80 % fallbezogenen Tätigkeiten einschließlich:

  • Beratung der Eltern,
  • Vor- und Nachbereitung der Umgangskontakte,
  • Falldokumentation.

und einen Anteil von 20 % fallübergreifende Tätigkeiten einschließlich Qualitätssicherung durch:

  • Fallbesprechung,
  • Supervision,
  • Teambesprechung,
  • kollegiale Beratung,
  • Qualitätsentwicklung,
  • Fortbildung,
  • Kontakte mit Kooperationspartnern im sozialen Umfeld (Vernetzung),

 

Kosten

Entsprechend der LEQ- Vereinbarung mit dem jeweils fallzuständigem Jugendamt. zur Leistungsvereinbarung

 

Qualitätsentwicklung

Die TS Sozialpädagogische Dienste strebt bei dem BU eine Qualitätsentwicklung (Struktur-,

Prozess- und Ergebnisqualität) mit einem prozesshaften Charakter und eine auf

Überprüfung und Verbesserung von Qualität ausgerichtete Aktivität an.

 

Qualifikation der Mitarbeiter*innen

Die Mitarbeiter*innen der TS Sozialpädagogische Dienste, die den BU betreuen, sind von

der Grundqualifikation berufserfahrene Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen,

Erzieher*innen oder/und haben eine zertifizierte Weiterbildung für den Begleiteten

Umgang absolviert.

 

Sozialdatenschutz

Der BU ist eine Maßnahme nach dem SGB VIII. Träger die Aufgaben nach dem SGB VIII

wahrnehmen, müssen die aufgeführten Bestimmungen zum Schutz der Sozialdaten bei ihrer

Erhebung, Nutzung und Verarbeitung in der Jugendhilfe (§35 SGB I, §§ 67 bis 85a des SGB

X und §§ 61 bis 68 SGB VIII) gewährleisten.

Zu jeder Zeit dürfen nach § 62 SGB VII Sozialdaten nur erhoben werden, wenn das Wissen

darum zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich ist.

Für die Berichterstattung gilt der § 65 SGB VIII. Der Paragraph besagt, dass die

Weitergabe der Sozialdaten an Dritte nur mit Einwilligung desjenigen möglich ist, der die

Daten anvertraut hat. Die Umgangsbegleitung wird deshalb die angefertigten Berichte mit

den Eltern besprechen. Um qualitativ gute Arbeit leisten zu 

können, werden die Eltern zusätzlich um eine Schweigepflichtentbindung für eine

prozessbegleitende Supervision gebeten.

Nach § 50 Abs. 3 SGB VIII können jedoch Daten an das Familiengericht ohne Einwilligung

weitergegeben werden, wenn eine Kindeswohlgefährdung besteht.

TS-Konzeption "Begleiteter Umgang" (BU)
TS-Konzeption - Begleiteter Umgang (BU),[...]
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